Rassismus.

Text: UNIKAT

Foto: Lih Tsan

Liebe UNIKAT-Leserin, lieber UNIKAT-Leser,

Wir schreiben auf unser Bookazine groß Kunst, Kultur und Kulinarik, sind also ein Lifestyle-Magazin. Und sollte Lifestyle nicht eher leicht und bekömmlich sein? Ja, aber …

 

… unser aller Lifestyle ist eben auch eingebunden in ein soziales Miteinander, in einen gesellschaftlichen Kontext. Was man für sich in unserer Gesellschaft persönlich ausleben und auch kritisch diskutieren kann und darf, basiert auf vielen Säulen und verfassten Grundrechten, die uns dazu privilegieren. Wie leicht und bekömmlich wir also als Einzelne leben können, wie freiheitlich, hängt auch vom Wohle möglichst vieler ab, wenn wir uns eine intakte und friedliche Gemeinschaft wünschen. Misstrauen, Feindseligkeit, stereotype Paradigmen, Vorbehalte, Vorurteile und Diskriminierung fördern nicht den Gemeinschaftssinn. Sie öffnen Pforten zu extremen und radikalen Positionen, sie kontaminieren wie ein Virus unser aller „Lifestyle“.

 

Dieses Virus formt sich aus Gedanken, die zu Worten, Thesen und einer Haltung werden. Noch nie haben es der technische Fortschritt und die Globalisierung uns so leicht gemacht wie heute, miteinander zu kommunizieren. Andererseits war die Gefahr noch nie so groß, dass jene Kommunikation zur einseitigen Debatte und Blaupause tatsächlicher, interaktiver und integrativer Kommunikation verkommt. Wenn wir mehr und mehr an Vertrauen ineinander verlieren, wenn wir „Fake News“ erwarten, Institutionen zunehmend unreflektiert misstrauen sowie Menschlichkeit, Empathie und Moral durch unser alltägliches Handeln untergraben und ignorieren, dann wandelt sich der gesunde kritische Blick in Vorurteile und Feindbilder – und unser Miteinander in falschen Protektionismus und Egoismus. Wir verlieren unsere Fähigkeit zu echter offener Kommunikation. Ganz gleich, in welche Richtung.

Zur echter Kommunikation gehört immer auch das Wissen um die eigene Fehlbarkeit. Alleingültigkeitsansprüche grenzen aus. Wir sollten vorsichtig sein im alltäglichen Sprachgebrauch. Es sollte uns nicht primär um das Senden gehen. Es sollte uns wieder mehr um ein reflektierendes Empfangen und unsere soziale Verantwortung gehen, die mit unserem Verhalten, Gesellschaftsbild und jenen Möglichkeiten des Sendens, Postens, Hashtaggens, Subscribens und Sharens einhergeht. Denn wir wissen zu selten, wer uns da zuhört, followed,  sich ausgegrenzt oder bestätigt – und eben auch angestachelt oder radikalisiert fühlt.

 

Dabei spielt es keine Rolle, ob man sich auf Podien, vor Kameras, in einem Fußballstadion, auf einem Parteitag, in einem Songtext, einem Drohbrief an Kommunalpolitiker, in Kirchen, Moscheen oder Synagogen, im alltäglichen Leben oder in sozialen Netzwerken äußert.

 

Um Ursache und Wirkung kritisch und selbstkritisch zu verstehen, müssen wir hierzulande noch nicht mal auf den tragischen wie unnötigen Tod George Floyds blicken. Nicht zuletzt unsere eigene deutsche Geschichte sollte uns lehren, dass es stets mit Worten und einem Nährboden für eben jene begann. Der Nährboden sind wir alle. Wir können ihn vergiften oder zum Guten formen.

Nichts entstand im luftleeren Raum: nicht der Nationalsozialismus, das „Dritte Reich“, nicht der Holocaust. Nicht die RAF, nicht die rassistischen Pogrome von Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen, die Anschläge von Mölln und Solingen Anfang der 1990er. Nicht die zehn Morde des NSU zwischen den Jahren 2000 und 2007. Kein Terroranschlag in Berlin, kein Amoklauf, kein Angriff oder Mord, ganz gleich aus welchem verletzten „Ehrgefühl“ heraus. Nicht der gewaltsame Tod eines Kasseler Regierungspräsidenten, der Anschlag von Halle im letzten Jahr. Nicht der Anschlag von Hanau mit zehn Toten. Nicht Gewaltexzesse, ganz gleich ob von Links oder Rechts. Und auch nicht Drohungen und rassistische Beleidigungen gegenüber Politikern, Journalisten, Sportlern oder Mitbürgern!

 

Hin- oder Wegschauen hat Einfluss auf unser soziales Miteinander. Wir von UNIKAT sind im Durchschnitt sicher nicht mehr oder weniger politisch als ihr. Unsere Worte sind sicher nicht mehr oder weniger reflektiert als jene von uns allen. Unser Team verzeichnet unterschiedliche ethnische Wurzeln, sexuelle Orientierungen, inkludiert Freundeskreise, die wiederum aus Menschen unterschiedlicher Nationen und sozialer Schichten bestehen. Pluralistisch, könnte man sagen, oder auf Englisch „diverse“, was etwas mehr nach Lifestyle klingt. Dieser „Lifestyle“ ist unser tägliches Leben. Unser Lieblingswort dafür ist: Normalität.

Rassismus, Nationalismus, Xenophobie und Antisemitismus, Populismus, sexualisierte Gewalt und Homophobie, Häme, Hetze, Hass oder Diffamierung und Diskriminierung sind kein „Lifestyle“ und sollten auch nie Normalität werden.

 

Euer UNIKAT-Team

BLACK LIVES MATTER

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